Erklärung des SPD-Fraktionsvorsitzenden, Werner Kasel

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister,

als wir vor 1 ½ Jahren den Haushalt für das Jahr 2021 verabschiedet haben, prägte vor allem die
Corona-Pandemie mit ihren krisenhaften Begleiterscheinungen die Zeit. Die Pandemie dauert an und
weitere Krisen, die unser Land betreffen, kommen hinzu oder sind weiter angewachsen. Klimawandel,
Ukraine-Krieg, Energiekrise, fehlendes Fachpersonal bei Verwaltung und Unternehmen, schwierige Ma-
terialversorgung, grassierende Inflation, um die Wichtigsten zu nennen. Und als würde das alles nicht
schon reichen, ist für unsere Stadt und die Region die Flutkatastrophe des vergangenen Jahres mit ih-
ren kaum ermesslichen Auswirkungen hinzugekommen.
Es ist daher eine so noch nie dagewesene Herausforderung, einen Haushalt auf den Weg zu bringen,
der diesen Bedingungen Rechnung trägt. Erkennbar wird dies bereits aus der Tatsache, dass der
Haushalt für das Laufende Jahr erst zum jetzigen Zeitpunkt verabschiedet werden kann. Und machen
wir uns an der Stelle nichts vor: Bei aller Sorgfalt werden erst die weiteren Abläufe zeigen, inwieweit die
angestellten Berechnungen dauerhaften Bestand haben werden. In den umfangreichen Vorberatungen
wurde deutlich, dass es an manchen Stellen an Kaffeesatzleserei grenzt, weil Annahmen sowohl bei
der Einnahmen- als auch bei der Ausgabenseite noch nicht als gesichert festgestellt werden können.
Letztlich müssen wir in gewisser Weise von einem „Nothaushalt“ sprechen und es ist absehbar, dass
dies nicht der einzige unter dieser Prämisse bleiben wird.
Nehmen wir die Auswirkungen der Flutkatastrophe mit einem vorläufig festgestellten Schaden an der
städtischen Infrastruktur von rund 1,7 Milliarden Euro. Davon erfasst das Investitionsprogramm 2022
auf der Ausgaben- und Einnahmenseite rund 150 Millionen Euro, in der Berechnung mithin ein Null-
summenspiel. Aber kommt das auch so? Ja, wenn alle Antrags- und Bewilligungsverfahren schnell und
unkompliziert abgearbeitet und dann die Umsetzung der Maßnahmen unter den aktuellen Rahmenbe-
dingungen tatsächlich realisiert werden kann. Wir sind eben nicht nur – wie im Übrigen alle Geschädig-
ten der Katastrophe -, in einer Bürokratie- und Zuständigkeitsfalle gefangen, wie es vor wenigen Tagen
der Bürgermeister ausgedrückt hat, sondern unterliegen bei allen Maßnahmen eben auch den krisen-
behafteten Rahmenbedingungen im Ganzen. Im Vorbericht zum Haushalt wird daher zutreffend festge-
stellt, dass der Aufbau das prägende Merkmal auch der künftigen Haushalte sein wird.

Aber wir sollten nicht das Geschehene und die Folgen daraus trotz aller Betroffenheit nicht nur bejam-
mern, sondern daraus auch Lehren ziehen und gewonnene Erkenntnisse nutzen, um so in eine positive
Zukunft zu schauen.
Wir haben jetzt die Chance, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, sondern im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung neue andere Wege zu gehen. Erkenntnisse aus der Flut aber auch aus den
sonstigen krisenhaften Entwicklungen müssen – so weit nicht ohnehin bereits berücksichtigt -, bei allen
Investitionen ihren Niederschlag finden. Hochwasserschutz, Gestaltung der Ahr und ihrer Nebengewäs-
ser, Ökologisches Bauen, zukunftsorientierte Verkehrsinfrastruktur, Sicherheit in der Energie- und Wär-
meversorgung, Zukunftsorientierte Entwicklung von Weinbau, Handel und Tourismus, Wald-, Grün- und
Wasserflächen als Träger des Kleinklimas im engen Tal verstehen. Diese Punkte seien als Kernthemen
ohne den Anspruch auf Vollständigkeit genannt.
Dass manches davon mit noch nicht endgültig erkennbaren Risiken behaftet ist, ist nachvollziehbar.
Das gilt auch für unsere in diesen Feldern aktiven städtischen Eigenbetriebe und städtischen Unterneh-
men. Die Herausforderungen der Probleme bei der Energieversorgung für unsere Ahrtal-Werke seien
nur beispielhaft genannt.
Aber die SPD-Fraktion steht auch dafür, an zurückliegend geplanten Investitionen festzuhalten und
nicht den rigorosen Rotstift anzusetzen. „Sparen gegen die Krisen“ wäre der falsche Weg. Verschiebun-
gen in der Priorität der Umsetzung werden dabei von uns akzeptiert. Deshalb umfasst unsere positive
Haltung dazu die Übertragung zurückliegend bereits beschlossener Haushaltsermächtigungen in das
laufende Jahr.
Schließlich begrüßt die SPD-Fraktion, dass an den Fördermitteln für Vereine, Kulturmaßnahmen oder
Bildungseinrichtungen bis hin zur Stadtbibliothek festgehalten wird. Das gewährleistet insbesondere
das gemeinsame Miteinander in der Stadt und ihren Stadtteilen. Dazu gehört, dass die Belange der ein-
zelnen Ortsbezirke, die von den Ortsbeiräten angemeldet werden, ihren Niederschlag im Haushalt fin-
den. Bei aller spezifischen Belastung dürfen die einzelnen Stadtteile sich nicht allein gelassen fühlen.
Zur Finanzierung des Ganzen ist die Aufnahme weiterer Investitionskredite aber auch die Bereitstellung
von erheblichen Darlehensaufnahmen zur Sicherung der Liquidität im Plan erhalten. Bei aller Vorsicht
in der Finanzplanung und auch unter Berücksichtigung eines steigenden Zinsniveaus ist dies aus Sicht
der SPD-Fraktion unvermeidbar.
An dieser Stelle danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung, in den Eigenbetrie-
ben und in den städtischen Gesellschaften für ihren herausragenden Einsatz gerade in dem einen Jahr
nach der Flut. Das ist nicht alltäglich, aber es wird noch von längerer Dauer sein müssen. Bleiben Sie
engagiert und dabei vor allem gesund.
In großer Kraftanstrengung und in hoher Gemeinsamkeit in den beratenden Ausschüssen mit der Ver-
waltung konnte der Haushalt 2022 trotz aller Widrigkeiten entwickelt werden. Die SPD-Fraktion wird
dem zustimmen.
Werner Kasel